Sonntag, 22. April 2012

WWW-Erfinder kritisiert britische Überwachungspläne

Sir Tim Berners-Lee, der Erfinder des Hypertext-Systems WWW, hat vor den Folgen der geplanten verschärften Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien gewarnt. Dazu nutzte er ein Interview mit der Tageszeitung Guardian. Vor zwei Monaten war bekannt geworden, dass die britische Regierung plant, Provider dazu zu verpflichten, Vorratsdaten ein Jahr lang zu speichern und den Sicherheitsbehörden den Zugriff darauf in Echtzeit zu erlauben. Diesen Ausbau der staatlichen Überwachung nannte er eine "Zerstörung von Menschenrechten".

Das Ausmaß der Kontrolle über eine Person, das die Überwachung ihrer Internetaktivitäten ermögliche, sei immens. Teilweise erhalte man so intimere Details aus ihrem Leben, als jeder, mit dem sie sich unterhalte. Die Idee, dass solche Informationen aufgezeichnet werden sollen, sei offensichtlich sehr gefährlich. Die erhaltenen Daten könnten gestohlen oder gekauft werden und beispielsweise zur Erpressung von Regierungsmitgliedern oder Militärangehörigen genutzt werden.


Tim Berners-Lee Vergrößern
Bild: Le Fevre Communications Wenn die Regierung es wirklich für nötig erachte, derart sensible Daten zu sammeln, dann müsse sie eine sehr starke, unabhängige Kontrollinstitution einrichten. Diese könnte dann jede Nutzung der Überwachungsdaten überprüfen und feststellen, ob wertvolle Beweise geliefert wurden. Da aber keine derartigen Pläne bekannt seien und auch unklar sei, wie die Daten sicher gespeichert werden sollen, sei es im Moment am wichtigsten, das Gesetz zu stoppen. Berners-Lee fügte hinzu, dass es die Bemühungen der Regierungen zur Kontrolle oder zum Ausspionieren des Internets sind, die ihn am stärksten um den Schlaf brächten.

Daneben ging der Informatiker in dem Interview auch auf eine vor wenigen Tagen prominent geäußerte Warnung ein, dass Portale wie Facebook mit ihrer Schaffung abgetrennter Bereiche des Internets Innovationen behindern. Bereits vor 20 Jahren habe ihn ein Kollege darauf aufmerksam gemacht, dass es beeindruckend sei, wie schnell Menschen im Internet etwas übernehmen würden, aber auch, wie schnell sie es wieder fallen lassen.

Angesichts der Sorgen über die immer größeren Mengen von Nutzerdaten, die Dienste wie Google und Facebook sammeln, kann er sich vorstellen, dass Nutzer darauf bestehen könnten, ihre persönlichen Daten auf unabhängigen Servern zu speichern. Damit wären sie nicht mehr in den Händen der Unternehmen, und die Nutzer könnten selbst bestimmen, wer welchen Zugriff darauf hat.

Sorgen bereiten ihm "native Apps" für Geräte wie das iPhone und das iPad, denn sie könnten nicht durchsucht werden. Dadurch gehe eine Menge an Informationen für die breite gesellschaftliche Diskussion verloren. Aber die rasche Entwicklung von Web-Apps stimme ihn optimistisch. Sie würden derartige Inhalte auch wieder im Internet verfügbar machen. (mho)


View the original article here

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen