Samstag, 21. April 2012

Piratenpartei wegen rechten Mitgliedern unter Beschuss

Der Zentralrat der Juden in Deuschland fordert von der Piratenpartei nach dem gescheiterten Parteiausschluss von Bodo Thiesen ein konsequentes Vorgehen gegen rechtes Gedankengut. "Rechtsradikale Einstellungen dürfen auf gar keinen Fall in einer demokratischen Partei toleriert werden", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, gegenüber dem Handelsblatt. "Geschichtsrevisionismus und die Verteidigung von Holocaustleugnern dürfen daher nicht ungeahndet bleiben." Die Piraten müssten ihren Kompass, wenn es um den Kampf gegen Rechtsradikalismus gehe, rasch neu justieren, betonte Graumann auch in einer Mitteilung des Zentralrats.

Thiesen war wegen Äußerungen zum Überfall Nazideutschlands auf Polen und zum Holocaust bundesweit in die Kritik geraten. Das Bundesschiedsgericht der Piraten hatte einen Antrag der Parteispitze auf Ausschluss des Rheinland-Pfälzers aus Formgründen abgewiesen, da dessen Äußerungen schon geahndet worden seien und niemand zwei Mal wegen eines Vergehens bestraft werden dürfe.

Der Landeschef der Piraten Rheinland-Pfalz, Roman Schmitt, akzeptierte die Entscheidung des Parteigerichts. "Allerdings werden wir Thesen, die geeignet sind, den Holocaust zu relativieren oder Geschichtsrevisionismus Vorschub zu leisten, immer konsequent entgegentreten." Der parteiinterne Widerspruch zu relativierenden Theorien über den Holocaust müsse deutlicher als bisher ausfallen.

Thiesen äußerte sich laut Piraten 2008 im Internet so: "Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen." Und: "Nun, bis vor einigen Monaten glaubte ich auch, daß diejenigen, die 'Auschwitz leugnen' einfach nur pubertäre Spinner sind. Damals hatte ich aber auch noch nicht Germar Rudolf gelesen." Rudolf ist verurteilter Holocaust-Leugner.


Auf dem Bundesparteitag Vergrößern
Bild: Tobias M. Eckrich Mit dem Beschluss zum Parteiausschlussverfahren gegen Thiesen und der Auseinandersetzung um andere Mitglieder, die rechtes Gedankengut propagieren, bietet die Piratenpartei dem politischen Gegner natürlich eine offene Flanke. Selbst in der Nachkriegs-CSU seien "so offen rechtsradikale Einstellungen nicht geduldet worden", kommentierte Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, die Thiesen-Entscheidung der Piratenpartei.

[Update]:
Nach Ansicht des Berliner Piraten-Abgeordneten Christopher Lauer darf die Piratenpartei keine Extremisten in den eigenen Reihen dulden. "Beim Thema Rechtsradikalismus heißt es keinen Fußbreit den Faschisten", sagte er dem Stern. Im Forsa-Wahltrend von Stern und RTL liegen die Piraten mit 13 Prozent erneut vor den Grünen, die auf 12 Prozent kommen. Lauer rückte von dem Anspruch auf völlige Transparenz ab: Er sei nicht sicher, ob es sinnvoll wäre, mögliche Koalitionsgespräche per Livestream zu übertragen.

Angesichts des anhaltenden Umfragehochs der Piratenpartei lässt Grünen-Chef Cem Özdemir offen, ob er längerfristig eine Koalition mit den Piraten für möglich hält. "Wir ketten uns nicht auf Lebenszeit an einen Partner. Dass wir 2013 zusammen mit der SPD die jetzige Bundesregierung ablösen wollen, ist eine Aussage für die nächste Bundestagswahl. Was bei späteren Wahlen geschieht, kann derzeit niemand voraussehen", sagte er der Welt. Die Grünen machten "keine Ausschließeritis". Er kritisierte aber: "Wer sich in die Parlamente wählen lässt, muss konkrete Pläne vorlegen und deren Finanzierung klären, muss nach Mehrheiten suchen und zu Kompromissen bereit sein. All das kann ich bei den Piraten nicht erkennen."

Siehe dazu auch den Artikel von Harald Staun in der Sonntags-FAZ:

(mit Material von dpa) / (jk)


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